#020 - Was können Führungskräfte von Steinzeitmenschen lernen?
Wann hatten Sie das letzte Mal Stress?
Ich meine die Frage ernst. Wann hatten Sie wirklich das letzte Mal Stress? Wenn Sie die Fragen mit „Ist lange her“ beantworten, dann ist die heutige Episode eventuell nicht so interessant für Sie. Ich schätze die Mehrheit meiner Zuhörer allerdings so ein, dass sie im Dauerstress ist.
Stress bei der Arbeit durch ständige Unterbrechungen, manche Meetings, Telefonate und vielleicht auch Berichte sind einfach nur nervig, oder erzeugen sogar richtig viel Stress. Oder denken Sie doch bitte mal an die Meetings. Die Mehrheit meiner Klienten bestätigt mir immer wieder, dass in ihrem Unternehmen die Meetings eine echte Katastrophe sind. Und dann noch die vielen Projekte, die unzuverlässigen Kollegen und die vielen Angelegenheiten, die noch erledigt werden müssen. Das Gespräch, dass mit einem Mitarbeiter dringend geführt werden müsste, der mal wieder gegen Spielregeln verstoßen hat. Dieser ist auch noch ein Mitarbeiter der unangenehmen Sorte. Es würden mir noch viele, weitere Beispiele einfallen.
Stress und die Evolution
Das Stress nicht gesund ist, dass wissen Sie, liebe Zuhörer, schon lange. Warum das so ist, dass wissen immer noch relativ Wenige. Ich möchte es Ihnen gerne erklären. Unser Körper und somit auch unser Gehirn funktionieren noch so, wie vor 100.000 Jahren. Wir Menschen wissen heute zwar viel mehr, als der Steinzeitmensch, aber die entscheidenden Grundfunktionen unseres Körpers haben sich evolutionär nicht ein bisschen weiterentwickelt. Evolution benötigt viel Zeit. Änderungen finden schleichend verteilt über hunderttausende von Jahren statt. Der Fisch hat sich ja auch nicht mal eben so entschieden an Land zu gehen und einfach von Kiemen- auf Lungenatmung umzusteigen.
Stress und der Steinzeitmensch
Um Stress zu verstehen sollten wir uns mal den Steinzeitmenschen und wie er gelebt hat näher anschauen. In meiner Vorstellung hatte der Steinzeitmensch zwar kein bequemes Leben, so wie wir bequem definieren. Aber Hektik kannte er sicherlich nicht in dem Ausmaß wie wir modernen Menschen. In welchen Situationen hatte der Steinzeitmensch überhaupt mal Stress? Denken Sie bitte kurz nach. Ein Mensch, der den ganzen Tag nichts anderes zu tun hat, als auf der faulen Haut rumzuliegen, manchmal dem Vermehrungstrieb nachgeht, sich Gedanken um das nächste Essen macht, sich um eine neue Behausung kümmert und………, tja und was sonst noch? Eigentlich nicht mehr viel, im Vergleich zu uns. Er kannte Stress nur in Situationen, in denen es um Leib und Leben ging. Wenn er auf der Jagd war, oder von anderen Klans, oder dem berühmten Säbelzahntiger angegriffen wurde. Sonst definitiv nie.
Was macht unser Körper bei Stress?
Im Laufe der Evolution hat sich der menschliche Körper darauf eingestellt auf bedrohliche Situationen immer gleich zu reagieren. Die Vorbereitung auf Kampf, oder Flucht. Alles im Körper, was dem Kampf, oder der Flucht dient, wird aktiviert, alles was dem im Weg steht wird abgeschaltet, oder reduziert. Die Verdauung wird eingestellt und das Immunsystem wird heruntergefahren. Weil, wofür benötige ich das Alles noch, wenn ich tot bin? Der Blutgerinnungsfaktor wird hochgefahren. Das könnte helfen bei einer möglichen Verletzung nicht zu verbluten. Der Blutdruck steigt, um alle Muskeln maximal mit Blut zu versorgen. Und auf geht es zum Kampf! Anschließend, sofern der Steinzeitmensch überlebt hat, regulierte sich der Körper wieder auf Normal zurück. Für den Steinzeitmenschen wirklich praktisch, aber für uns moderne Menschen?
Was bedeutet das, wenn wir heutzutage Stress haben?
Wann haben Sie das letzte Mal mit einem Säbelzahntiger gekämpft? Scherz bei Seite. Wenn Sie dauernd im Stress sind fährt Ihr Immunsystem langfristig runter und die Erkrankungsgefahr wächst. Wenn Sie dauernd im Stress sind ist Ihr Blutdruck permanent zu hoch, mit katastrophalen Folgen. Wenn Sie dauernd im Stress sind, ist Ihre Verdauung eingeschränkt. Wenn Sie dann noch viel Kaffee trinken, dürfen Sie sich nicht über Magenprobleme beschweren. Wenn Sie trotz Stress normal weiteressen, kommen dann auch noch Völlegefühl und Darmprobleme, bis hin zu chronischen Erkrankungen hinzu. Wir können viel dagegen tun. Ärzte empfehlen viel körperliche Bewegung zum Abbau von Stresshormonen und zur Stabilisierung des vegetativen Nervensystems. Quasi der neuzeitliche Kampf mit dem Säbelzahntiger. Das hilft definitiv. Auch für die psychische Gesundheit. Alles Tipps zum Umgang mit Stress, nachdem er entstanden ist.
Das Problem zwischen dringend und wichtig zu unterscheiden
Es gibt aber Methoden erst gar nicht so viel Stress entstehen zu lassen. Das halte ich für viel wichtiger. Und da sind wir schon bei dem Wort, auf das ich die ganze Zeit hinaus wollte: „Wichtig“. Für den Steinzeitmenschen gab es im Moment der Gefahr nichts Wichtigeres, als zu kämpfen, oder abzuhauen. Was ist für Sie Wichtig? So wichtig, dass es Sie in Stress versetzt? Genau hier beginnt das Problem. Wir erkennen im Alltag nicht mehr den Unterschied zwischen wichtig und dringend. Das ist für uns das Gleiche. Das hat weitreichende Folgen für unseren Körper. Für unser steinzeitliches Gehirn ist nämlich alles, was mit Zeitdruck verbunden ist, was wir also für dringend halten, lebensbedrohlich. Daher reguliert es in jeder Situation, in der wir es eilig haben, in der der Kunde dringend auf die Reklamationsbearbeitung wartet, der Mitarbeiter dringend eine Entscheidung von uns fordert, das Projekt zu scheitern droht und wir dringend eine Lösung benötigen, die E-Mails, die noch dringend beantwortet werden müssen, der Schreibtisch der noch dringend vor dem Urlaub aufgeräumt werden muss, die Präsentation, die noch dringend fertiggestellt werden muss, der Bericht, auf den Andere schon dringend warten, usw., usw.. Alles was dringend ist, also mit Zeitdruck zu tun hat, wird von unserem steinzeitlichen Gehirn als Lebensgefahr gedeutet und sorgt für die notwendigen Vorbereitungen des Körpers für Angriff, oder Flucht.
Weniger Stress
Wie könnte ein Weg aussehen, der zu weniger dringenden Tätigkeiten führt und somit zu deutlich weniger Stress? Ein solcher Weg ist sicherlich individuell sehr unterschiedlich für jeden meiner Zuhörer. Aber es gibt Möglichkeiten über die Sie nachdenken können, um eine für Sie passende Lösung zu finden. Wenn Sie sich zukünftig mehr auf die wichtigen Dinge konzentrieren, im Verhältnis deutlich mehr Zeit für die wichtigen Dinge nehmen, dann wird es automatisch weniger dringende Situationen geben. Je mehr Sie sich Zeit für Vorbereitung, Vorbeugung und Planung nehmen, desto weniger werden Sie in Krisen geraten.
Werte und Stress
Wenn Sie sich über Ihre wichtigsten Werte bewusst würden, könnten Sie Ihr Umfeld und Ihre Arbeit besser an diesen Werten ausrichten und daher weniger gegen sie verstoßen. Wenn Ihr wichtigster Wert zum Beispiel „Vertrauen“ ist und in Ihrem privaten, oder beruflichen Umfeld wird gelogen und betrogen, dann sollten Sie dieses Umfeld unbedingt verlassen. Ihre Werte können Sie nicht ändern, Ihr Umfeld schon. Wenn Sie sich intensiver um Ihre Beziehungen zu Ihren Mitmenschen kümmern, also Beziehungsarbeit leisten, dann werden Sie mehr Erfolg im zwischenmenschlichen Bereich haben und weniger Stress mit Partnern, Kindern, oder Mitarbeitern. Wenn Sie sich wirklich mal erholen, abschalten, Urlaub machen, das Wochenende genießen, anstatt zu arbeiten, werden Sie bessere Entscheidungen treffen und damit viel Zeit für die Folgen von Fehlentscheidungen sparen. Wenn Sie jetzt denken „das klingt alles logisch“, oder „das weiß ich doch schon lange, aber es ist nicht so leicht es umzusetzen“, weil „ich habe doch keine Zeit“, dann erzähle ich Ihnen eine Geschichte, die mir neulich passiert ist. (Mehr zu unseren Werten und Motiven gibt es hier.)
Bessere Vorbereitung, weniger Stress
Ich ging im Wald spazieren und hörte eine Motorsäge in einiger Entfernung. Als ich mich dem Geräusch näherte, sah ich einen Forstarbeiter, wie er mit seiner Motorsäge einen Baum fällen wollte. Vielmehr, er versuchte einen Baum zu fällen. Ich blieb stehen und sah mir das Schauspiel genauer an. Der Mann schwitze fürchterlich in seiner Schutzausrüstung und unter dem Helm. Er drückte sich mit voller Kraft gegen seine Motorsäge, aber es kamen kaum Holzspäne heraus. Seine Kette war stumpf. Als er mich bemerkte stoppte er kurz die Arbeit und fragte mich, warum ich denn da so blöd rumstehen würde. Er war sichtlich gestresst. Ich sagte Ihm: „Guter Mann, ich bin ja kein Profi, aber in meinen Augen ist Ihre Kette stumpf.“ Er erwiderte „Ich weiß. Ich habe aber keine Zeit die Kette zu schärfen, ich muss diesen verdammten Baum fällen.“ Und fing wieder an zu sägen. Wann fangen Sie damit an die Kette zu schärfen, um am Ende weniger Stress zu haben?
Und noch etwas. Als Führungskraft sollten Sie sich bitte auch bewusst machen, dass jede Form von Zeitdruck, den Sie auf Ihre Mitarbeiter ausüben, von diesen als Lebensbedrohung gedeutet werden. Die Folgen kennen Sie ja nun bereits.
Bleiben Sie fokussiert!